Warum auch die Ironman-Distanz ohne High-Tech-Equipment machbar ist - und sogar mit Familie. Ein Rückblick auf Roth-Erfahrungen
Schwer wiegt sie in der Hand. Schwarz, beige, ein bisschen orange und bronzefarbig. In Sachen Schönheit bestimmt nicht jedermann Sache, aber sehr besonders. Es ist die 2015er-Finisher-Medaille des langen Triathlons in Roth. Dutzende andere Athleten um mich herum haben sie um den Hals, trinken ihr Erdinger-Alkoholfrei hinter dem Zieleinlauf vor tausenden Zuschauern.
Die Gedanken gehen zurück. Triathlon sei teuer, 5000 Euro und mehr würden die Sportler pro Jahr dafür ausgeben, war erst kürzlich im "Handesblatt" zu lesen, die Räder vor allem seien so kostspielig. Aber auch Laufen und Schwimmen sei nicht billig. Ich schaue im Rother Zielraum auf meine Füße, die seit gefühlten Ewigkeiten im immer gleichen Asics-Modell stecken. Ein Paar pro Jahr brauche ich, 85 Euro kostet das. In dem Klamottenbeutel vom Schwimmen, der noch in der Wechselzone auf mich wartet, steckt ein Neo für knapp 200 Euro. Der Vorgänger war auch nicht teurer und hat vier Jahre gehalten, macht also rund 50 Euro jährlich. Da kann einmal Essen gehen mehr kosten. Und das Rad gab's aus dritter Hand für 350 Euro. Das soll mal ein Spitzentriathlet gefahren haben, aber jünger als seine zwanzig Jahre wird es dadurch auch nicht. Gefallen tut's mir trotzdem.
Mag sein, dass ein 500-Euro-Neo mich eine Minute schneller schwimmen ließe. Aber will ich jetzt 300 Euro mehr für eine Minute weniger investieren? Für einen Anzug, der doch eigentlich bloß vor dem Auskühlen schützen und nicht zur Beschleunigung dienen soll? Oder ein paar tausend Euro für zehn Minuten auf dem Rad ausgeben, einen Betrag, mit dem sich auch die halbe Wohnungen renovieren ließe?
Ich habe sie noch vor Augen, die Teilnehmer mit den Scheibenrädern und High-end-Geräten, die ein paar Stunden zuvor zugegebenermaßen schneller als ich rollten, vor allem bei den Abfahrten, von denen es um Roth herum einige hat. Aber so manche von denselben Zig-tausend-Euro-Räder hingen mit ihren Radlern am Berg plötzlich wieder vor mir und mühten sich im ersten Gang hoch.
Die Spitzenathleten verbinden natürlich beides - super Beine und tolles Material. Aber bei manch anderem mutet das schon komisch an, wenn da einer mit Superausrüstung kaum den 10-Prozent-Anstieg am Kalvarienberg rauf kommt. Um so was zu üben, muss man auch gar nicht zum teurenTrainingslager, von dem auch im "Handelsblatt" zu lesen war - das kann man prima auch im flachen Berlin üben, von der Moorlake aus hoch oder zum Teufelsberg.
Familienfreundlich sei die Sache mit dem Ironman auch nicht, hatte ich vorher gehört. Okay, Schwimmtraining sei ja abends, aber die langen Läufe und die lange Ausfahrten auf dem Rad ... Unbestrittenerweise sind beide notwendig, ja sogar die Grundlage für einen erfolgreichen langen Triathlon ohne allzu viele Schmerzen. Aber wo steht geschrieben, dass die Sonntag vormittag im Trainingsplan stehen müssen, was zwangsläufig zum Konflikt mit der Familie führt? Ab Mitte April ist es schon um sieben hell, da sind bis zehn Uhr 90 Kilometer und damit eine gute Rad-Mitteldistanz im Kasten und der Rest des Tages ist Familienzeit. Natürlich sind das Solo-Fahrten, aber quadrieren lässt sich der Kreis eben nicht. Drei, vier mal 150 oder 160 km können es ja durchaus sein - gestreut über drei Monate Vorbereitungszeit inklusive diverser Feiertage ist das ja vertretbar. Und ansonsten gilt der überhaupt nicht neue Tipp: Mit dem Rad zur Arbeit und zurück. "Aber das bringt doch nichts, viel zu kurz!" - habe ich selbst noch vor einigen Monaten gesagt. Von wegen: Vor allem auf den autofreien reinen Fahrradpassagen lässt sich so manches Tempointervall einbauen.
Und was das Laufen angeht: Da braucht es ja noch nicht mal das Wochenende mit den freien Straßen Richtung Luckenwalde und Flaeming. Rein in den Park, eine Runde einlaufen, und dann fünf mal 1000 oder ein einstündiger Tempolauf. Das reicht zwar von der Zeit her noch nicht für jenen 30-km-und mehr-Lauf pro Woche, der die Grundlage fürs sichere Ankommen in Roth legt. Teilzeitberufstätige und Halb-Hausmänner wie ich haben da natürlich den Vorteil, sich die Zeiten etwas freier legen zu können. Aber gibt es an einem Wochenende nicht oft genug Termine der Kinder, die zu eigenen Sportwettkämpfen, Turnieren oder irgendwelchen Geburtstagen weg sind? Da sind auch schon mal drei Stunden frei. Und falls man selbst die Kinder zum Training oder Wettkampf kutschierten muss - warum nicht parallel trainieren, statt quatschend und dann doch nicht richtig zuschauend am Rand zu stehen? Eine Laufstrecke findet sich fast immer, auch wenn es nicht immer eine idyllische Runde an der Havel ist. Und wie gesagt: Früher Vogel fängt den Wurm - 20 km lassen sich auch unter der Woche zwischen halb sechs und Arbeitsbeginn um neun einbauen. Natürlich kann man sich da auch was anderes vorstellen, als sich an einem grauen Januarmorgen früh aus dem Bett zu schälen und loszutrotten. Aber auch da gilt wie immer: Will ich oder will ich nicht?
Und letztlich ist alles auch ein Test: Wenn bei so einem morgendlichen Lauf die erste viertel oder halbe Stunde rum ist und es macht zum wiederholten Male keinen Spaß, dann ist das eben vielleicht doch nicht das richtige mit der Langdistanz, es sei denn, sie soll Mittel zur Selbstkasteiung sein. Nun im Ziel in Roth ist viel von Entbehrungen und vorangegangenen Qualen die Rede ist, für die nun das Finishen der Lohn sei. Ist das so? Die langen Läufe an all den Seen, diese morgendlichen Momente auf den Brandenburger Alleen, erst nur mit frischem Grün, dann mit Raps, später mit Mohn, diese märchenhaften Momente, wenn morgens beim Schwimmen im Schlachtensee noch ein Nebel auf dem Schlachtensee liegt, die fordernden und doch oder gerade deshalb tollen Trainingseinheiten mit den Vereinskollegen im Becken - all das ist doch schon Lohn in sich und bedarf eigentlich keiner Medaille als Kompensation..
Dieses etwas klobige Ding zusätzlich zu all den schönen Eindrücken zu haben wie jetzt in Roth, ist natürlich ziemlich nett. Sehr nett sogar! Und ein cooles Finisher-Shirt gibt es ja auch noch.